By Štefan Emrich | 3 June 2017
Fake News sind lästig, wirklich nervig sind ihre negativen Folgen
In der vergangenen Woche schlug die Nachricht, dass in Gerasdorf bei Wien gegen “mögliche Gefahren” durch Handy- und WLAN-Strahlung vorgegangen wird. Die Nachricht, die offensichtlich über die NÖN an die Öffentlichkeit fand, machte quer durch alle Medien die Runde. Dass Qualitätsmedien wie die Presse, der Standard oder die technikaffine futurezone darüber kritisch berichten würden, war zu erwarten. Aber wenn selbst die Krone und das Gratisblatt heute sich Kritik an der Aktion nicht verkneifen können, dann darf zumindest noch ein wenig gehofft werden.
Kurz zum Hintergrund, falls die Meldung nicht bekannt sein sollte: In der Stadtgemeinte von Gerasdorf wurden sich SP-Bürgermeister und VP-Vize einig, dass sie alles unternehmen wollen, dass “allen Gerasdorfern und besonders den Kindern bestmögliche Lebensbedingungen” geboten werden. Offensichtlich schaffte die Firma Waveex einen publicityträchtigen Coup, in dem der Gemeinde eine Gratis-Kooperation angeboten wurde. Die nämliche Firma verkauft “Chips”, welche die “schädlichen Spitze” der Handystrahlung neutralisieren wollen.
Nach dem hochgehen der Medien twitterte der VP-Vizebürgermeister: Halte nichts von Esoterik, wollte aber nach dem Motto “Bringt es nichts, schadet es nicht” das Engagement der Eltern nicht enttäuschen.
Konsument.at hat zu Waveex folgendes zu sagen: “Das angebliche Wirkprinzip von Waveex und vergleichbaren Produkten ist wissenschaftlich nicht plausibel. Wir fanden keine aussagekräftige Studie, die Aufschluss über eine mögliche Wirkung der Handyaufkleber geben könnte.” Und einen sehr ausführlichen Artikel zu Handystrahlung gibt es vom Medizin-Transparent.at.
Im aktuellen Fall war die Kooperation zwischen Gerasdorf und dem Vertreiber der esoterischen Chips eine kostenlose. Sollte das Beispiel jedoch Schule machen, ist nicht davon auszugehen, dass die teuren Aufkleber kostenlos verteilt werden. In dem Fall würden dann die Steuerzahler für esoterische, nachweislich wirkungslose, bzw. im besten Fall nicht wirklich nachweislich wirksame Aufkleber Zahlen. Das gibt auch der Hersteller selbst indirekt zu, der auf seiner Seite schreibt, dass “auch der Effekt von Waveex derzeit nur unter Laborbedingungen nachgewiesen werden”. Diesbezügliche (medizinische) Publikation sind aber nicht vorhanden, bzw. weder anerkannt, noch in fachspezifischen Journalen veröffentlicht.
Hier ging der Kelch des realen Schadens also noch einmal knapp an der Gesellschaft vorbei. Leider viel realer - und auch weitreichender - sind die Auswirkungen, die Mr. Fake News’ letzte Entscheidung mit sich bringt.
Wie gestern, Freitag, offiziell von Trump höchstpersönlich bekannt gab, ziehen sich die USA aus dem “schlechten” Klimaschutzabkommen zurück. Statt mit Argumenten auf die internationale Kritik zu reagieren holt dann das Weiße Haus auch gleich zum Gegenangriff aus. So tönte Scott Pruitt, Chef der US-Umweltbehörde (EPA): “Warum wollen Europas Spitzenpolitiker, dass wir drin bleiben? Sie wissen, dass es unsere Wirtschaft weiterhin fesseln wird”. Sein biografischer Hintergrund? In seinem früheren Amt (Generalstaatsanwalt von Oklahoma) setzte er sich für die Interessen von Öl- und Gaskonzernen ein.
Die Folgen dieser Entscheidung für die Klimapolitik der 194 anderen Staaten des Abkommens, und auch die Konsequenten für das Weltklima selbst sind aktuell kaum abzusehen.
Das Fake News, die Verwässerung von Information und die mantrahafte Wiederholung von Falschmeldungen ein tatsächliches Problem sind, das schreibt auch Alexandra Föderl-Schmid in ihrem lesenswerten Essay von heute. Symptomatisch dafür ist auch eine Antwort von Trump, als Präsident der USA. Auf die Frage, ob seine Unterstellung nicht genauso schlimm ist, wie was er unterstellt, antwortete er nur lapidar: “I’m a very instinctual person, but my instinct turns out to be right.” (Ich bin eine sehr instinktive Person, aber mein Instinkt ist richtig.)
Update:
Bereits am 2.6. hat der Vizebürgermeister von Gerasdorf in seinem Blog zu einer Podiumsdiskussion über die Chancen und Risiken des digitalen Zeitalters am 4.Juli geladen. Und zwar mit den sehr besonnenen Worten “Zu den Dingen, die ich für gefährlich halte, gehören der Glaube an Verschwörungstheorien und Esoterik einerseits sowie das Lächerlichmachen von Sorgen und Ängsten anderer Menschen andererseits”.
Ein höchst vorbildlicher Umgang!
Titelbild von Miguel Discart unter CC-Lizenz zur Verfügung gestellt